Dienstag, 6. Dezember 2022

von José Arce

Die Hundeleine

Nur wenn man den Hund als das erkennt, was er ist, kann man ihm auch beim Spazierengehen zeigen, dass er uns vertrauen kann und an unserer Seite sicher ist. Dazu sollte der Mensch aber kein Problem mit Freiheit haben. Ein großes Problem ist, dass viele Menschen schon von Grund auf eine negative Beziehung zur Hundeleine haben. Diese Menschen sind oftmals davon überzeugt, dass die Leine etwas Schlechtes für ihren Hund bedeutet. Doch so können sie ihrem Hund dann keine Sicherheit geben. Diese innere Einstellung führt nämlich dazu, egal ob der Hund mit oder ohne Leine läuft, dass diese Menschen Schwierigkeiten haben, ihrem Hund Sicherheit zu vermitteln.

Aufmacherfoto: Anna Auerbach / Mensch & Hund, KOSMOS

Foto: Anna Auerbach / Mensch & Hund, KOSMOS

Ich kenne Hundebesitzer, die sich nichts sehnlicher wünschen, als eine Beziehung zu ihrem Hund aufzubauen, ohne die Leine zu Hilfe zu nehmen. Diese Menschen haben meist andere Mensch-Hund-Beziehungen ohne Leine beobachtet. ___STEADY_PAYWALL___ Dabei wird leicht übersehen, dass es auch in diesen Verbindungen eine Leine gibt; sie existiert, ist aber sozusagen eine unsichtbare Leine, die zwischen beiden besteht. Diese Hundebesitzer sind meist kurz vorm Verzweifeln, denn sie wollen unbedingt ebenfalls so eine Beziehung zu ihrem Hund erreichen. Das ist aber nicht möglich, solange sie sich nur auf das Beispiel „Hund ohne Leine“ fokussieren. Dann vergessen sie, was eine gute Beziehung zwischen Mensch und Hund ausmacht. Sie können nicht erkennen, was die Natur des Hundes ist und was Freiheit für ihren Hund bedeutet. Freiheit bedeutet für den Hund, sich auf seinen Menschen immer und in jeder Situation verlassen zu können. Man darf dabei auch nicht außer Acht lassen, dass manche Hunde, allein durch ihre Vorgeschichte oder ihre Persönlichkeit, die Leine brauchen, um sich in verschiedenen Situationen an unserer Seite sicher zu fühlen. Hier ist es wirklich ein Problem, wenn der Mensch diesem Hund die Sicherheit nicht geben kann, nur weil er eine falsche Vorstellung von Freiheit im Kopf hat.

Foto: Anna Auerbach / Mensch & Hund, KOSMOS

Foto: Anna Auerbach / Mensch & Hund, KOSMOS

Die Leine ist für mich die Verlängerung meines Arms. Sie ist eine direkte Verbindung zum Hund. Das vergleiche ich gern mit dem Moment, in dem ich ein Kind an meiner Hand habe. Die Leine schenkt dem Hund, genauso wie meine Hand dem Kind, Sicherheit und Liebe. Mithilfe der Leine zeige ich meinem Hund die Welt und wir beide lernen uns kennen, mithilfe der Leine bauen wir unsere Beziehung auf, in der sich mein Hund frei entfalten kann. Selbstverständlich gibt es später auch einmal viele Situationen, in denen es die Leine nicht braucht, weil wir inzwischen auch durch unser unsichtbares Band verbunden sind.

Tritt zum Beispiel ein neuer Hund in mein Leben, vielleicht ein Welpe oder ein Hund aus dem Tierschutz, möchte ich mit ihm eine gute Beziehung aufbauen. Dazu ist es wichtig, dass er mir seine Persönlichkeit zeigt und ich verstehe, was er in seinem bisherigen Leben erlebt hat. Er soll ab jetzt spüren, dass ich nun sein Mensch bin, auf den er sich immer und überall verlassen kann. Diese Beziehung baue ich auf, indem ich meinen Hund in den Alltag integriere. Zu Hause gebe ich ihm eine gute Struktur und beim Spazierengehen benutze ich dazu gern die Leine. In unserer von Menschenhand geprägten Welt leben viele Hunde in einer Umgebung, in der sie zeitweise oder hauptsächlich angeleint werden müssen. Daher ist es so wichtig, das gemeinsame Gehen an der Leine seinem Hund von Anfang an zu zeigen, in Ruhe und mit viel Sicherheit. Dann ist die Leine für den Hund später etwas Natürliches, Alltägliches und bleibt es für ein Hundeleben lang.

Ruft man seinen Hund im Spiel mit fremden Hunden zu sich und leint ihn an, befürchten manche Menschen, dass ihr Hund es ihnen übelnimmt. Diese Menschen glauben sogar, dass die Leine dadurch für den Hund negativ belegt wird, weil er nicht weiterspielen darf. Tatsächlich aber ist es der Mensch, der die Leine mit Unfreiheit verbindet. Glauben Sie mir, wenn die Mensch-Hund-Beziehung stimmt, freut sich unser Hund, neben uns herzulaufen. Dann genießt er seine Aufgabe, denn es entspricht seiner Natur, den Menschen zu begleiten.

Kommt die Sprache aufs Spazierengehen, fällt mit Sicherheit kurz darauf auch das Wort Leine. Denn in vielen Menschen geistert die Vorstellung herum, dass nur ein Hund, der ohne Leine läuft, ein glücklicher Hund ist. Während alle anderen Hunde, die täglich mit ihrem Menschen an der Leine gehen, ein Leben in trauriger Gefangenschaft führen.

Doch nutzt man die Leine bewusst als Verbindung zu seinem Hund, ist sie keinesfalls eine Bestrafung – im Gegenteil: Sie gibt Ruhe und Sicherheit. Die Leine ist ein gutes Mittel und eine Hilfe, eine vertrauensvolle Verbindung zwischen Hund und Mensch zu schaffen. Dementsprechend darf man sie nicht dazu benutzen, den Hund damit zu bestrafen, oder den Hund an ihr herumzureißen. Beobachten Sie ruhig einmal andere Menschen mit ihren Hunden. Wenn Sie sehen, dass ein Hund schlecht an der Leine geht, ist das ein eindeutiges Zeichen dafür, dass in dieser Mensch-Hund-Beziehung der Mensch nicht die Verantwortung trägt.

Die Beziehung mit dem Spaziergang stärken

Dass Sie Ihren Hund sicher und verantwortungsvoll an der Leine führen können, müssen Sie ihm durch Ihre innere Einstellung und Ihr Selbstbewusstsein zeigen. Nur dann wird Ihr Hund Sie respektieren und Sie können die Leine locker in der Hand halten. Dann ist Ihre Mensch-Hund-Beziehung perfekt und die Leine dient Ihnen dazu, das Band, das zwischen Ihnen und Ihrem Hund besteht, nach außen sichtbar zu machen und dem Hund die Richtung zu zeigen, in die es gehen soll. Ich will hier nicht außer Acht lassen, dass die Leine, sofern der Mensch sie falsch einsetzt, für den Hund durchaus etwas Negatives ist. Das liegt sehr oft daran, dass manche Menschen den Hund im falschen Moment an die Leine nehmen. Möchten Sie zum Beispiel zum Spaziergang aufbrechen und Ihr Hund ist sehr aufgeregt, ist das nicht der richtige Zeitpunkt, ihn anzuleinen. Denn dann bedeutet die Leine ebenfalls nur Aufregung. Und die nimmt der Hund mit auf die Straße.

In manchen Großstädten gibt es mittlerweile die Unterstützung von Gassigehern. Man kann beobachten, dass diese Menschen häufig mit bis zu zehn Hunden auf einmal durch die Stadt spazieren gehen. Die Hunde, die sie führen, sind untereinander freundlich und fühlen sich alle sicher. Sie orientieren sich an den Menschen und halten an jeder Ampel. So meistern sie in der Gruppe den Stadtverkehr, laute Kinder, Fahrradfahrer, Jogger und alle möglichen Hundebegegnungen. Obwohl diese Hunde alle an der Leine sind, ziehen sie nicht, wie sie es vielleicht normalerweise bei ihrem Besitzer tun würden. Sie merken, dass dieser Mensch für sie die Verantwortung trägt und sie sich bei ihm sicher fühlen. Viele Menschen, die die Gassigeher beobachten, fragen sich dann: Wie kann das sein, wie kann dieser Mensch mit zehn Hunden an der Leine ohne Ziehen und ohne Probleme durch die Stadt laufen? Die Antwort darauf ist nicht so kompliziert, wie man denken könnte. Dieser Mensch hat ein Ziel, er trägt die Verantwortung für jeden einzelnen Hund und die Gruppe. Dieser Mensch hat die Kenntnis, was ein Hund ist. Er lässt sich nicht von falscher Freiheit beeindrucken. Dieser Mensch ist überzeugt von dem, was er macht, und er weiß, dass es den Hunden guttut. Es ist für ihn normal, jeden Tag einen neuen Hund in seine Gruppe einzuführen. Dazu benutzt er eine klare Struktur. Nur so können alle gemeinsam miteinander klarkommen. Dieser Mensch hat kein schlechtes Gewissen und fühlt sich gut damit, diese Struktur für das positive Gefühl innerhalb der Gruppe mithilfe der Leine zu nutzen.

Wenn Sie Ihren Hund einmal genau beobachten, können Sie an seiner Reaktion sofort erkennen, ob Sie ihn tatsächlich ruhig und sicher führen. Dann läuft er perfekt an der Leine. Das ist der Dank dafür, dass Sie es richtig machen.


Infos zum Buch

José Arce hat sich in ganz Europa als Hundeexperte einen Namen gemacht. In seinem neuen Buch „Mensch & Hund“ aus dem das vorstehende Kapitel stammt, möchte er Menschen ermutigen, bei der Hundeerziehung wieder auf ihr Bauchgefühl zu hören. Denn die heutige Gesellschaft verhindert oftmals, dass wir intuitiv erkennen, wann sich der Hund an unserer Seite sicher und geborgen fühlt. Hier bietet José Arce eine Mensch-und-Hund-Grundlage, die in einfachen Schritten eine gute Basis für das Zusammenleben schafft. Zusammen mit Dobermann Fred zeigt der bekannte Hundeexperte, wie man seinem Hund in unserer modernen Welt Sicherheit schenkt und über Liebe und Respekt sein Vertrauen gewinnt.

„Mensch & Hund. Durch Verantwortung Liebe und Sicherheit schenken“ ist mit 152 S., 102 Farbfotos und 4 SW-Zeichnungen im KOSMOS-Verlag erschienen und im Buchhandel für 25 Euro erhältlich.

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