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Marian Gold von Alphaville
Er war der Schwarm unzähliger Fans der Achtzigerjahre und noch immer ein Star – mit einer beeindruckenden Biografie: Wohlbehütet wuchs Marian Gold als Fabrikantensohn (der Vater hatte eine Heizungsfirma) mit vier Schwestern im westfälischen Herford auf und machte 1973 sein Abitur in Schloss Salem. Danach flog der Wehrdienstleistende aus der Bundeswehr, weil er sich mit einem Vorgesetzten geprügelt hatte – setzte sich in den Zug nach Westberlin, wo er nach eigenen Angaben „versackte“ und die folgenden anderthalb Jahre als Punk in der Hausbesetzer-Szene Berlins lebte und zwischendurch immer wieder auch obdachlos war. Anfang der 1980er Jahre ging er nach Münster und gründete dort die Band Alphaville. Weil die Band erst einmal nur mäßig erfolgreich war, arbeitete er als Küchenhilfe. Über Nacht stellte sich der internationale Erfolg im Januar 1984 mit „Big in Japan“ ein. Im April 2023 ist Marian Gold mit Alphaville erneut auf Tour. Wir sprachen mit dem siebenfachen Vater und „Hundepapa“, der in einer vornehmen Villa im Südwesten Berlins wohnt.
Marian, bist du mit Hunden aufgewachsen?
Ja, wir hatten immer Hunde. Als ich noch sehr klein war, hatten wir zwei Dobermänner in der Familie, Benno und Ajax. Danach hatten wir Cocker Spaniel, Schnauzer, Rottweiler. Hunde waren Normalität bis ich 16, 17 war. Später hatte ich keinen Hund, weil ich immer auf Achse war. Als ich dann Mitte der 90er Jahre sesshaft wurde, habe ich sofort wieder einen Hund gehabt. Alle Hunde waren unsere Familienmitglieder.
Wie kamst du zu deinem aktuellen Hund?
Unsere liebe Ronja, die uns 15 Jahre lang begleitet hat, hatten wir aus dem Berliner Tierheim. Sie war ein Schäferhundmischling – eine ziemlich mächtige Person: massiv, entspannt und mit großer Autorität. Sie ist im Mai letzten Jahres gestorben. Das war für unsere ganze Familie ein schlimmes Erlebnis. Sie ist im Kreis der Familie im Garten bei sehr schönem Wetter gestorben. Sie war eigentlich kerngesund, aber sehr alt. Irgendwie war die Batterie leer. Sie ist dann tatsächlich eingeschlafen im Garten. Man musste gar nichts dazu tun. ___STEADY_PAYWALL___
Dann waren wir in einer Situation, die wahrscheinlich alle Hundebesitzer kennen. Nie wieder wollten wir einen Hund – nie wieder dieser Schmerz. Das hat dann ungefähr ein halbes Jahr gedauert. Wir hatten Kontakt zu einem ungarischen Tierheim über einen hier in Deutschland ansässigen Tierschutzverein. Die entlasten die ziemlich überfüllten Tierheime in anderen Ländern ein wenig. Wir haben dann ein Foto auf der Internetseite des Vereins gesehen. Das war die Tara. Sie sah genauso aus wie Ronja.
Als sie hier ankam, stellte sich heraus, dass sie ganz anders war. Das ist auch völlig okay, denn es gibt halt alles im Leben nur einmal. Sie ist keine Reinkarnation, sondern eine vollkommen eigenständige Persönlichkeit. Sie unterscheidet sich in vielen Dingen. Das macht sie auch sehr liebenswert.
Sie ist auch ein Schäferhundmischling?
Ja, aber sie ist das Gegenteil von Ronja. Wie gesagt, Ronja war ein sehr massiver, großer Hund. Die Tara ist sehr, sehr fragil und eher mittelgroß, auch vom Temperament vollkommen anders. Und natürlich jünger; wir schätzen sie auf circa anderthalb Jahre.
Wer kümmert sich bei euch um die Erziehung des Hundes?
Wir haben unsere Hunde eigentlich nie bewusst erzogen. Das war auch nicht nötig, weil wir alle ein gutes Händchen haben. Mit Hunden zusammenleben ist für uns, wie gesagt, Normalität. Der Hund geht ohne Leine, hat alle wichtigen Kommandos drauf. Das war aber kein Training, sondern hat sich nach und nach ergeben. Das war mit allen anderen Hunden, die wir hatten, auch so. Unsere Hunde waren auch immer friedlich. Ich denke, weil sie sich einfach sicher fühlten. Wenn es mal Auseinandersetzungen gibt, liegt es erstens meist an den Besitzern - und nicht am Hund- und zweitens passiert es immer dann, wenn der Hund verunsichert ist und kein Selbstbewusstsein hat.
Der Hund muss wissen, welche Rolle er in der Familie hat, welche Position in der Rangfolge. Das ergibt sich meiner Meinung nach immer von selbst. Ich finde es immer ganz interessant: Manchmal sehe ich hier am Schlachtensee Hundeführer mit kleinen Rudeln durch den Wald laufen. Es ist total spannend zu beobachten, wie die Hunde alles unter sich regeln. Man braucht da gar nicht großartig Einfluss nehmen. Wenn man sie in Ruhe lässt, organisieren sie sich selber. Das sind unglaublich soziale Wesen, genauso wie wir Menschen. Sie haben eine empathische Intelligenz und kriegen das irgendwie hin. Man muss es nur verstehen.
Du hat den Schlachtensee schon erwähnt. Ist das deine tägliche Ausgehrunde?
Täglich ist übertrieben. Irgendjemand dreht mit dem Hund immer eine Runde durchs Revier. Das ist nicht weit weg vom Schlachtensee, sehr waldreich und ruhig. Wir gehen viermal am Tag mit Tara Gassi. Außerdem haben wir einen ziemlich großen Garten. Früher, als meine Kinder noch kleiner waren, hatte ich einen dreirädrigen Rennwagen, in den ich die Kleinkinder reingesetzt habe. Wir fuhren dann so um den Schlachtensee rum – und der Hund immer an unserer Seite. Jetzt sind die Kinder schon größer, da wird man auch ein wenig fauler. Der Hund auch.
Du bist viel unterwegs. Kommt der Hund mit?
Tara und damals Ronja eher nicht, einfach weil sie zu groß sind. Meine zwei ältesten Töchter haben aber eigene Hunde. Das sind kleine Biester. Der eine ist ein Pudel-Dackel-Mischling und der andere ist eine Feld-Wald-und Wiesenmischung. Die kommen dann auch mal mit auf die Konzerte. Dann sind die Hunde auch dabei.
Das ist meist kein Problem. Allerdings haben wir einmal Urlaub auf Sylt gemacht. Und der Hund von meiner zweitältesten Tochter hat in einer Nacht mal das Wohnzimmer des Ferienappartements zerlegt. Wir waren nur was essen. Die Hündin war noch relativ jung. Das war ein ziemlich teurer Urlaub.
Wo verbringt Ihr eure Urlaube?
Ich fühle mich unheimlich wohl an der Nordsee. Diese gewaltigen Strände dort, an denen man stundenlang spazieren kann, ohne dass es ein Ende hat. Überhaupt diese Endlosigkeit und faszinierende Landschaft ist für mich inspirierend. Auch die Familie liebt die Inseln und für die Hunde ist es ein Paradies.
Als unsere Ronja gestorben war, wurde uns klar: Mensch, wir könnten jetzt nach Mallorca oder noch weiter weg, nach Südamerika oder auf die Malediven fliegen. Wenn du ’nen Hund hast, geht das alles nicht, aber du bemerkst es nicht, weil es eben so schön ist, mit ’nem Hund zusammen zu sein. Für ein halbes Jahr hatten wir diese Möglichkeit, haben sie aber nicht genutzt und dann doch wieder einen Hund angeschafft.
Für weite Reisen fehlt auch die Zeit. Ich bin viel unterwegs. Wir spielen ja nicht nur in Deutschland. Wir machen Tourneen in Nordamerika bis nach Südostasien.
Als du mit Alphaville Anfang der 80er Jahre erfolgreich wurdest, war das die Zeit des Kalten Krieges und der Bedrohung aus dem Osten. Aktuell haben wir eine ähnliche Situation. Wie siehst du die Dinge?
Die achtziger Jahre sind für viele Menschen heute eine Art Sehnsuchtsort. Diese Zeit ging 1986 mit der Exposition in Tschernobyl, auch in der Nähe von Kiew, zu Ende. Das war die große Ernüchterung. Die große Bedrohung war nichts Cinemakopisches, nichts Unwirkliches.
Natürlich gab es den West-Ost-Konflikt, es gab Sozialismus und Kommunismus auf der einen und Kapitalismus auf der anderen Seite. Es war alles überschaubar. Die letzte überschaubare Zeit damals.
In den neunziger Jahren wurde dann alles asymmetrisch und unüberschaubar und verwirrend. Dieser Prozess hat sich bis heute fortgesetzt. Ich denke, dass man diesen Konflikt, diesen durch nichts zu rechtfertigende Angriff Russlands auf die Ukraine, nicht wirklich mit der Situation, die in den achtziger Jahren herrschte, vergleichen kann. Die achtziger Jahre waren eine stabile Zeit. Sowas wäre nie passiert.
Dass sowas jetzt passiert, liegt einfach daran, dass alles total aus den Fugen ist. Wir müssen hier in Deutschland alles dafür tun, damit die Ukraine diesen Krieg gewinnt. Weil das sonst überall weiter geht. Unsere Kinder, unsere Länder, unsere Heimat – das alles ist bedroht. Jemand wie Putin versteht keine andere Sprache. Man hätte auch Hitler damals nicht mit guten Worten stoppen können. Die Nazis hätten immer weiter gemacht; Deutschland musste besiegt werden. Und heute muss Putins Russland besiegt werden. Das ist überhaupt keine Frage. Wir müssen die Ukraine vor allem mit Waffen unterstützen. Die Bereitschaft, ein Gleichgewicht der Kräfte zu akzeptieren, die es noch in den achtziger Jahren gab, gibt es nicht mehr in Russland.
Du hat mit deiner Band gerade ein neues Album veröffentlicht: „Alphaville – Eternally Yours“.
Ja, wir haben die größten Hits komplett neu arrangiert und aufgenommen mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg. Im Frühjahr nächstes Jahr gibt’s eine Tour durch Deutschland mit dem Orchester, wo wir die sinfonischen Interpretationen auch live darbieten. Ich freue ich mich schon sehr darauf, das Album live zu reproduzieren.
Wir reisen dann mit dem Orchester. Das wird auch in logistischer Hinsicht eine ganz spannende Sache. Das Album haben wir ja zusammen mit den Babelsbergern aufgenommen. Das sind 60 Leute. Ich bin noch nicht ganz sicher, wie wir es logistisch lösen, so ein Riesending von einer Stadt in die nächste zu bewegen. Ich denke, dass wir mit einem reduzierten sinfonischen Orchester reisen werden, mit vielleicht 40 unterwegs sind.
Dieses Album ist ein großes, faszinierendes Abenteuer. Ich bin glücklich, dass ich die Gelegenheit hatte, so ein Album mit diesem phantastischen Orchester zu produzieren. Wir interpretieren Stücke von Alphaville. Bis auf eines sind alle schon einmal veröffentlicht worden. Durch die sinfonische Bearbeitung haben die Stücke eine ganz neue, wahnsinnig schöne Perspektive bekommen.
Marian, herzlichen Dank für das Gespräch.